Die Mutter by Petra Hammesfahr

Die Mutter by Petra Hammesfahr

Autor:Petra Hammesfahr [Hammesfahr, Petra]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: ROWOHLT
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Gretchen war daheim und nicht einmal erstaunt, mich zu sehen. Sie schaute dem Taxi nach und runzelte die Stirn. «Hast du dein Auto kaputtgefahren?»

Ich schüttelte den Kopf. Sie trat von der Tür zurück und zeigte aufs Wohnzimmer. «Setz dich da rein. Ich mach dir ’n Kaffee. Oder magst du keinen?»

«Doch.»

«Magst du auch ’n Schnaps? Siehst aus, als könntest du einen brauchen.»

«Ja.»

Ich weiß nicht, wie lange ich allein im Wohnzimmer saß und den dunklen Bildschirm des Fernsehers anstarrte. Wie lange ich nackte Brüste und Männerhände darüber hüpfen sah. Und Renas von Ekel und Panik verzerrtes Gesicht. Und Mutters Blick im Krankenzimmer, wie sie zu mir aufschaute. Einen winzigen Hauch von Dankbarkeit in den Augen. Ich wusste, dass du zur Vernunft kommst, Vera. Ich erwarte auch keine Entschuldigung für deine Angriffe.

Ich weiß wirklich nicht mehr, wie lange ich den Impuls niederkämpfte, die Flucht zu ergreifen. Was willst du hier, Vera? Willst du dir von dieser Person anhören, dass es nicht weiter tragisch ist, auf diese Weise sein Geld zu verdienen? Hast du vergessen, was Rena in ihrem Tagebuch notierte? Hennessens Ansichten über diese Art von Broterwerb: «Von etwas muss sie ja leben.» Willst du Sätze hören wie: «Das muss sie von mir haben!» Tu dir das nicht an, Vera.

Fünf Minuten oder eine Ewigkeit saß ich da. Gretchen ließ sich Zeit. Oder mir? Das Zimmer war aufgeräumt, ein sauber ausgewischter Aschenbecher auf dem Tisch und eine Vase mit ein paar Astern. Zwei Kissen auf der Couch mit akkuraten Kniffen in der Mitte. In einem offenen Schrankfach eine vergilbte Fotografie hinter Glas in einem Silberrahmen. Jürgen im Alter von vier Jahren, mit schiefem Grinsen ein Baby auf dem Schoß haltend.

Endlich kam sie, hielt ein Tablett in den Händen. Kaffeekanne, Porzellan, Milch und Zucker und ein kleines Glas mit einer wasserhellen Flüssigkeit. Es war beschlagen. «Man gönnt sich ja sonst nichts», grinste sie einen Werbespot nach. «Nun kipp ihn schon, tut gut, hilft dem Magen und dem Herz und macht’s der Zunge leichter.»

Ich trank das Glas in einem Zug leer. Sie füllte die beiden Tassen, setzte sich auf die Couch und häufte Zucker in ihren Kaffee. «Sieht nicht gut aus, was?», stellte sie fest und warf einen Blick zu der Fotografie auf dem Schrank hinüber.

«Wenn sie klein sind», sagte sie leise, «ist es schlimm. Da bleibt einem nur die Vorstellung, dass sie als pausbäckiges Engelchen auf einer Wolke sitzen. Und an so einen Quatsch hab ich nie geglaubt. Aber wenn man sie sechzehn Jahre lang großgezogen hat, sind sie aus dem Gröbsten raus. Da hätte man sie eh nicht mehr lange um sich gehabt. Kann man sich da nicht sagen, irgendwann gehen sie alle? Und wo sie hingehen, geht es ihnen gut?»

«Wo sie hingegangen ist, kann es ihr nicht gut gehen.»

Sie hörte mir zu, rührte bedächtig in ihrem Kaffee, ließ durch nichts erkennen, ob sich etwas in ihr regte. Als ich zum Ende kam, meinte sie: «Hört sich schlimm an, muss es aber nicht sein. Ich könnt mir denken, dass der Doktor Recht hat, dass sie nur bis zum Bahnhof mitgefahren ist.



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